Rollstuhlfahrerin beim Eistieg ins Tram
Bus-, Tram- und Bahnhaltestellen sind so anzuordnen, zu gestalten und zu erschliessen, dass die autonome Benutzung des öffentlichen Verkehrs sichergestellt ist.

Die Norm SN 640 075 «Hindernisfreier Verkehrsraum» hält ergänzend zu den Vorgaben der VAböV und der AB-EBV folgende Grundsätze für die Ausführung von strassengebundenen Haltestellen fest. Ziel ist, dass der öffentliche Verkehr für Menschen mit Behinderung oder altersbedingten Einschränkungen autonom benutzbar ist (Ziff. 26):

  • Gewährleistung der Auffindbarkeit von Haltestellen und Einstiegspunkten
  • Vermittlung der für die Orientierung und den Zugang zum öV wichtigen Fahrgastinformationen sowohl visuell als auch akustisch
  • Anordnung der Haltestellen möglichst auf horizontalen Abschnitten
  • Zugang zur Haltestelle stufenlos
  • Ausreichende Manövrierflächen zum Ein- und Ausstieg mit Fahrhilfen

In Bezug auf die Höhe der Haltekanten und die maximalen Spaltbreiten, hält die Norm folgende Grundsätze fest:

  • Höhe der Haltekanten für optimale Einsteigeverhältnisse – möglichst niveaugleich mit dem Fahrzeugboden – auf die Fahrzeuge abgestimmt
  • Anordnung der Haltestelle, so dass hohe Haltekanten und geringe Spaltbreiten realisiert werden können (bei Strassenbahnen Anordnung in Geraden).
  • Gestaltung der Haltekante von Bushaltestellen so, dass ein paralleles Anfahren mit den Fahrzeugen gewährleistet ist.
  • Wird eine Haltestelle sowohl mit Bus als auch mit Strassenbahn bedient, muss der Zugang zu beiden Fahrzeugarten gewährleistet sein.
  • Niveaudifferenzen und Spalten sind bei Bedarf mit fahrzeugseitigen Rampen zu überbrücken.

Diese Grundsätze werden im Anhang, Ziffer 15 präzisiert, einerseits bezüglich Neigungen, Manövrierflächen, Höhe, horizontale Lage und Ausbildung der Haltekanten sowie Markierungen und Information (Anh. Ziff. 15.1 bis 15.5) und andererseits bezüglich zusätzlicher Anforderungen, die sich aus der Lage der Haltestelle ergeben (Anh. Ziff. 15.6 bis 15.8).

Neigung

  • Die Längsneigung soll im Haltestellenbereich vorzugsweise ≤ 3% betragen, maximal 6% (Anh. Ziff. 15.1);
  • Querneigung von Busperrons nach Möglichkeit ≤ 2%, bei Einstieg mit fahrzeugseitiger Rampe vorzugsweise zur Fahrbahn abfallend (Anh. Ziff. 15.1).
  • Querneigung von Strassenbahnhaltestellen gemäss Vorgaben der Ausführungsbestimmungen zur Eisenbahnverordnung AB-EBV.

Manövrierflächen

Die erforderlichen Manövrierflächen beim rollstuhlgerechten Einstieg sind abhängig von der Höhe der Haltekante und allfälligen Hilfsmitteln für den Einstieg (fahrzeugseitige Rampen, Hublift). Sie richten sich nach folgender Tabelle (Anh. Ziff. 15.2):

Tabelle mit den Mindestmassen für Manövrierflächen

Höhe der Haltekanten

Haltekanten sind so auszuführen, dass der Einstieg ins Fahrzeug niveaugleich, d.h mit möglichst geringen Niveaudifferenzen erfolgt. Dies muss wo immer machbar und verhältnismässig erfüllt werden, Abweichungen sind zu begründen. Es gelten die folgenden Anforderungen (Anh. Ziff. 15.3):

Regelfall hohe Haltekante

Bei Tramhaltestellen ist die Höhe der Haltekante mit den Verkehrsunternehmern einheitlich so festzulegen, dass im Einstiegsbereich zwischen Fahrzeugboden bzw. Schiebe- oder Klapptritt und Perronfläche bei mittlerer Beladung optimale Einstiegsverhältnisse möglichst ohne Niveaudifferenzen bestehen.

Für Bushaltestellen ist eine Haltekantenhöhe zwischen 0,22 und 0,30 m festzulegen und mit der Höhe des Fahrzeugbodens im Einstiegsbereich bei abgesenktem Fahrzeug (Kneeling) abzustimmen.

Für Bushaltestellen hat sich eine Höhe von 0,22 m als Standard für hohe Haltekanten etabliert. Bei kombinierten Bus- und Tramhaltestellen, ist eine geradlinige Anfahrt mit dem Bus in der Regel gegeben, so dass auch höhere, auf die Tramfahrzeuge abgestimmte Haltekanten möglich sind. Das Absenken der Bus-Fahrzeuge ist an diesen Kombi-Haltestellen mit Haltekantenhöhen von 28 – 30 cm nicht erforderlich ist.

Die kumulierten Abweichungen in der Höhenlage aufgrund fahrzeugtechnischer und bautechnischer Toleranzen sind bei der Festlegung der Haltekantenhöhe zu berücksichtigen. Fertigmasse dürfen um höchstens 10 mm von den vertikalen Sollmassen abweichen.

Abweichungen vom Regelfall

Kann im Siedlungsraum, z.B. bei Gebäudezufahrten, Kurvenradien oder aus Gründen der Verhältnismässigkeit keine hohe Haltekante für den niveaugleichen Einstieg realisiert werden, ist die bestmögliche abweichende Lösung zu realisieren (Anh. Ziff. 15.3). Die Reihenfolge, in der die Lösungen in der Norm aufgeführt sind, sind als Prioritäten zu betrachten:

  • Verschieben der Haltestelle
  • Teilerhöhungen im Bereich der Manövrierflächen für den rollstuhlgerechten Einstieg
  • Perronhöhe von 0,16 m für den Einstieg mit Rampe

Die Rechtspraxis verdeutlicht, dass grundsätzlich ein autonomen Zugang auf der ganzen Länge der Haltekante ausgeführt werden muss. Abweichen vom Regelfall erfordern triftige Gründe, siehe die Zusammenstellung wegweisender Rechtsentscheide.

Horizontale Lage und Ausbildung der Haltekante

Um Spaltbreiten zu minimieren gelten folgende Anforderungen an die horizontale Lage und Ausrichtung der Haltekanten (Anh. Ziff. 15.4).

  • An Strassenbahnhaltestellen ist die Lage der Haltekante nach Möglichkeit so festzulegen, dass Spaltbreiten von max. 50 mm auftreten.
  • An Bushaltestellen sind nebst der parallelen Anfahrt vorzugsweise auch die Randsteine zur Spurführung nutzbar zu gestalten.

Spalten und geringfügige Niveaudifferenzen können bei Rampenneigungen < 6% ohne zusätzlichen Bedarf an Manövrierflächen mit fahrzeugseitigen Rampen überbrückt werden, wenn dies für den Fahrgast erforderlich ist.

Rollstuhl auf Klapprampe bei fast ebener Einfahrt

Markierungen

Auf Haltestellenperrons sind gemäss SN 640 075 folgende Markierungen anzubringen (Anh. Ziff. 15.5):

  • Kennzeichnung der Einstiegsposition an der vordersten Türe mit einem Aufmerksamkeitsfeld von 0.90 x 0.90 m gemäss SN 640 852 «Taktil-visuelle Markierungen»
  • An Haltekanten von mehr als 0.20 m Höhe sind die Perronkanten kontrastreich zu gestalten oder mit einer weissen Linie von 0.15 m Breite zu kennzeichnen.
  • Perronabschnitte von Strassenbahn-Haltestellen, an denen die Gleise nicht gequert werden dürfen, sind gemäss AB-EBV (Ziffer 2.2.3.2 zu Art. 34) mit einer taktil-visuellen Sicherheitslinie zu markieren.

Die Anbringung taktil-visueller Markierungen setzt voraus, dass dafür geeignete Bodenbeläge ausgeführt werden.

Information

Für Fahrgastinformationen und Beschriftungen gelten folgende Anforderungen (Anh. Ziff. 15.5):

  • Visuelle Beschriftungen sowie akustische und taktile Informationen müssen die Vorgaben an Informationselemente gemäss den Ziffern 13.1 bis 13.3 der Norm erfüllen.
  • Werden dynamische Fahrgastinformationen eingesetzt, sind diese auch für Sehbehinderte zugänglich zu machen, vorzugsweise durch akustische, z.B. über einen Taster abrufbare Informationen.
  • Die Vorgaben der VAböV sind zu erfüllen.

Zusätzliche Anforderungen für bestimmte Anlagetypen

Im folgenden werden einige zusätzliche Anforderungen aufgeführt, die sich aus der Lage der Haltestelle ergeben:

  • Bei Inselhaltestellen ist der Zugang vorzugweise mit Fussgängerstreifen zu gewährleisten. Es gelten die Anforderungen an punktuelle Querungen (Anh. Ziff. 15.6.1)
  • Bei stark befahrenen Strassen sind Inseln mit einer Abschrankung, z.B. einem Geländer, gegenüber der Fahrbahn zu sichern. Die Breite der Insel ist entsprechend zu vergrössern. (Anz. Ziff. 15.6.1)
  • Bei Zeitinseln (Einstieg von der Fahrbahn) muss die Zeitdauer den konfliktfreien Ein- und Ausstieg auf für Menschen mit Behinderung gewährleisten. Höhe und Lage der Perronkante sind durch Anheben der Fahrbahn im Einstiegsbereich zu erfüllen. Die Kennzeichnung der Einstiegsposition wird mit einem Aufmerksamkeitsfeld am Trottoirrand (Wartebereich) gekennzeichnet. (Anh. Ziff. 15.6.2)
  • Bei Endhaltestellen mit Wendeschleife ist die Haltestelle nach Möglichkeit auf einem geraden Gleisabschnitt anzuordnen (nicht in der Wendeschleife) und mit hohen Haltekanten auszustatten. Die Abgrenzung zwischen Fussgängerbereichen und Fahrbahn muss im Bereich der Wendeschleife und beim Zugang zur Haltestelle mit Trennelementen erfüllt sein (Anh. Ziff. 15.7)
  • Perrons auf Bushöfen sind nach Möglichkeit so anzuordnen, dass die parallele Anfahrt an alle Perronkanten erfüllt ist und diese mit hohen Haltekanten ausgestattet werden können (Anh. Ziff. 15.8).
  • Bei Bushöfen mit Inselperrons ist die Abgrenzung zwischen allen Fussgängerflächen und Fahrbereichen mit Trennelementen zu gewährleisten. Für den Zugang zu den Haltestelleninseln gelten die Anforderungen an punktuelle Querungen sinngemäss. Das Auffinden der Haltestelleninseln und der Einstiegsposition ist mit taktil-visuellen Markierungen zu gewährleisten (Anh. Ziff. 15.8).

 

Stand am 05.01.2023

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