Bild: Wohnbau mit angefügtem Aufzug
Anpassbare Wohnbauten sind für alle geeignet, auch für Menschen mit Behinderung und im Alter. Ohne grossen Aufwand lassen sie sich an alle Lebenslagen anpassen, sind flexibel nutzbar und gesellschaftlich nachhaltig.

Erst wenn der Grossteil der Wohnungen anpassbar gebaut ist, werden Menschen mit Behinderung eine gleichwertige Chance haben, eine geeignete Wohnung zu finden und Freunde und Familie unkompliziert besuchen können. Um dies zu erreichen, muss das Prinzip «Anpassbarer Wohnungsbau» bei allen Neu- und Umbauten angewendet werden.

Die Grundlagen zum anpassbaren Wohnungsbau wurden durch die Schweizer Fachstelle für hindernisfreie Architektur seit 1982 erarbeitet, als Richtlinie «Wohnungen hindernisfrei – anpassbar» 1992 publiziert, sukzessive ergänzt und 2023 neu aufgelegt.

Das Konzept wurde 2009 in die Norm SIA 500 übernommen. Die Erschliessung bis zur Wohnungstür wird in der Norm in Kapitel 9 und das Wohnungsinnere in Kapitel 10 geregelt. Sobald das kantonale Baugesetz am Gebäudestandort, den anpassbaren Wohnungsbau vorschreibt und die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» (Kategorie II: Bauten mit Wohnungen) als Planungsgrundlage nennt oder der Bauherr dies verlangt, sind die Anforderungen zu erfüllen.

«Anpassbar» bedeutet, dass bestimmte Elemente der Wohnung nachträglich je nach Bedarf mit geringem Bau- und Kostenaufwand an individuelle Bedürfnisse angepasst werden können (SIA 500, Ziffer 1.2).

Konzept

Anpassbare Wohnbauten sind nicht von vornherein behindertengerecht erstellt, jedoch so konzipiert, dass sie für nahezu alle Menschen selbstbestimmt nutzbar sind. Die vorausschauende Bauweise stützt sich auf ein Konzept, das in zwei Stufen umgesetzt wird:

  1. In der Basis werden möglichst alle Wohnbauten hindernisfrei zugänglich, besuchsgeeignet und anpassbar erstellt.
  2. Im Bedarfsfall kann nachträglich mit geringem baulichen Aufwand an individuelle Bedürfnisse angepasst werden.

Die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» gibt für Wohnbauten unter Ziffer 1.3.3.1 eine «rollstuhlgerechte Erreichbarkeit der Wohnungen» vor. Rollstuhlgerecht darf sich laut Definition der SIA ein Ort nennen, der von Personen im Rollstuhl, mit Rollator oder anderen Gehhilfen selbständig genutzt werden kann (SIA 500, Ziff. 1.2).

Die stufenlose Erreichbarkeit der Wohnung ist eine Grundvoraussetzung für die Besuchseignung und für spätere Anpassungen. Die minimalen Anforderungen für den Zugang mit dem Rollstuhl von der Grundstücksgrenze bis zur Wohnungstüre regelt die Norm SIA 500 unter Ziffer 9.

Für die Besuchseignung ist der rollstuhlgerechte Zugang zu jeder Wohnung massgebend. Zusätzlich bestimmt die Norm minimale Anforderungen an die Bewegungsflächen, einen besuchsgerechten Toilettenraum, bei mehrgeschossigen Wohnungen an die Erreichbarkeit des Wohngeschosses. Diese Anforderungen ermöglichen, jeden Besucher zu empfangen. Gleichzeitig sind sie die Basis für eine freie Wohnungswahl und den Verbleib im gewohnten Wohnumfeld, sollte im Alter oder nach einem Unfall eine Mobilitätseinschränkung auftreten.

Die Anpassbarkeit lässt sich mit wenigen einfachen Grundregeln erreichen. Diese orientieren sich an der Rollstuhlgängigkeit als Massstab. Die entsprechenden Mindestanforderungen an das Wohnungsinnere und Nebenräume beschreibt die Norm unter Ziffer 10. Werden diese erfüllt, sind alle Vorraussetzungen gegeben, um eine Wohnung mit geringem baulichem Aufwand nachträglich an die persönlichen Bedürfnisse eines Bewohners anpassen zu können.

Von Wohnräumen, die bei Neu- und Umbau hindernisfrei und anpassbar erstellt werden, profitieren alle. Sie sind generell attraktiver, multifunktionaler und für ältere Menschen mit Rollator genauso interessant wie für Eltern mit Kinderwagen, vorübergehend Mobilitätseingeschränkte und auch bei Umzügen. Sie reduzieren die Unfallgefahr und damit einhergehende Pflegekosten sowie Kosten für individuelle Anpassungen, was sowohl privatwirtschaftlich als auch volkswirtschaftlich nachhaltig und interessant ist.

Grundregeln

Drei Grundregeln müssen befolgt werden, um eine spätere Anpassung zu ermöglichen.
Sie halten nachträgliche Baumassnahmen für individuelle Anpassungen in ihrem Aufwand gering und die Kosten für bauliche Anpassungen niedrig.

1.keine vertikalen Barrieren keine Stufen oder hohen Schwellen
2.keine horizontalen Barrieren ausreichende Durchgangsbreiten
3.keine räumlichen Hindernisse ausreichende Bewegungsfläche

Rollstuhlgängigkeit als Massstab

Werden absolute Hindernisse vermieden, die für Rollstuhlfahrende unüberwindbar sind, lassen sich individuelle Anpassungen für Bewohnerinnen mit Rollstuhl, Rollator und auch mit einer Sehbehinderung einfach realisieren.

Der Rollstuhl mit seinen Stand-, Rangier- und Manövrierflächen wird hier zum kleinsten gemeinsamen Nenner für alle Bewegungs- und Nutzflächen. Denn wo sich eine Person im Rollstuhl bewegen kann, wird auch allen anderen Menschen eine Nutzung möglich.
Die entsprechenden Anforderungen basieren auf Standard-Rollstuhlmassen.

Ein Standard-Handrollstuhl misst 1.30 m in der Länge und 0.70 m in der Breite (ISO-Norm). Für anpassbare Wohnungen bilden diese Rollstuhlmasse gemäss SIA 500 die Grundlage für den Flächenbedarf:

  • Stellfläche:  Länge mind. 1.30 m, Breite mind. 0.70 m
  • Manövrierfläche zum ungehinderten Drehen um 90°:  1.40 x 1.40 m
  • Manövrierfläche zum Wenden um 180°:  1.40 x 1.70 m

Stellfläche eines Standard-Handrollstuhls   Rollstuhl Manövierfläche zum Drehen   Rollstuhl Manövierfläche zum Wenden

Abgrenzung zu Alterswohnungen und spezifischen Wohneinrichtungen

Spezifische Wohneinrichtungen wie Altersresidenzen oder Pflegezentren müssen höhere Anforderungen erfüllen, als sie die Norm SIA 500 für allgemeine Wohnbauten vorgibt (Geltungsbereich, Ziff. 0.1.5). Sie sind im Einzelfall mit den Auftraggebern, dem Pflegepersonal für die Zielgruppe zu bestimmen. Das Anforderungsprofil von Wohnungen für Menschen im Alter ist homogener als jenes für jüngere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Alterswohnungen haben im Gegensatz zu anpassbaren Wohnungen bestimmte Anforderungen zu erfüllen, die sich aus Bedürfnissen älterer Menschen ergeben. Die Planungsrichtlinien «Altersgerechte Wohnbauten» nennen wichtige Grundprinzipien und geben Detailinformationen und Hinweise, die mit dem Auftraggeber zu besprechen sind.

Weiteres zu spezifischen Wohneinrichtungen im Beitrag «Bauten mit erhöhten Anforderungen» und zu Alterswohnungen im Beitrag «Altersgerechte Wohnbauten».

 

Stand 11.01.2023

      Bauten mit Wohnungen: Anpassbare Wohnungen und Individuelle Anpassungen. Themen Fachinformationen: Aufenthaltsbereiche / Wohnräume.