Verlangt das Behindertengleichstellungsgesetz BehiG oder die kantonale Baugesetzgebung den hindernisfreien Zugang zur Wohnung, betrifft dies die Erschliessung vom öffentlichem Raum bis zur Wohnungstür. Dieser Beitrag beschreibt die minimalen Anforderungen aller relevanten Bereiche der Erschliessung innerhalb des Wohnhauses, die in der Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» unter Kapitel 9 (bis zu Wohnungstüre) und 10 (wohnungsintern) aufgeführt sind. Wege ausserhalb des Gebäudes zu Eingängen und Aussenanlagen werden im Beitrag «Zugangswege und Aussenanlagen» dargestellt.
Durchgangsmasse und Bewegungsflächen orientieren sich an Abmessungen und Manövrierfläche eines Rollstuhls. Lesen Sie hierzu den Beitrag «Bewegungsflächen in Wohnbauten».
Allgemeine Anforderungen für Wege ausserhalb und innerhalb der Wohnung
- Erschliessung
Alle Wege und Korridore in Wohngebäuden müssen stufen- und schwellenlos sein (Ziff. 9.1.1, 10.1.1). - Bodenbeläge
müssen begehbar, befahrbar und gleitsicher sein (Ziff. 9.1.1, Korrigenda C3, Anhang B «Böden und Bodenbelägen»). - nutzbare Breite von Wegen und Korridoren
≥ 1.20 m (Ziff. 9.3.1),
Besonders wichtig in Korridoren mit Türen, um mit dem Rollstuhl in angrenzende Räume einbiegen zu können. - reduzierte Weg- oder Korridorbreiten
– Breiten zwischen 1.00 m und 1.20 m sind bei geraden Wegen und Korridoren ohne seitliche Abgänge (Türen oder Durchgänge) zulässig.
– Breiten ≤ 1.20 m sind in Korridoren mit seitlichen Abgängen nur in Bestandsbauten zulässig, die auch durch Umbau nicht korrigierbar sind. Die fehlende Breite ist durch das Verbreitern der Abgänge zu kompensieren.
– Für die Durchfahrt mit einem Rollstuhl muss die nutzbare Tür- oder Durchgangsbreite zusammen mit der Korridorbreite ein Mindestmass von 2.0 m ergeben (Ziff. 9.3.2, 10.1.1; Abb. siehe unten). - Durchgänge und Türen
– nutzbares Durchgangsmass: mind. 0.80 m (Ziff. 9.2.1, 10.1.1.)
– ohne Schwelle, vorzugsweise ohne Absätze. Ausserhalb der Wohnung sind einseitige Absätze mit max. Höhe von 2.5 cm oder flachgewölbte Deckschienen zulässig (Ziff. 9.2.2, 10.1.1). Bestehende Schwellen, wo möglich, entfernen. - Wendeflächen
Korridore innerhalb und ausserhalb der Wohnung benötigen mindestens an einer Stelle eine Wendefläche von 1.40 x 1.70 m (Ziff. 9.3.3). Diese kann sich innerhalb der Wohnung im Entrée oder in angrenzenden Wohnräumen befinden (Ziff. 10.1.1). - Freiflächen vor Türen
Bei manuell bedienten Hauseingangstüren, Wohnungseingangstüren und Verbindungstüren zu Parkierungsanlagen ist neben dem Schwenkbereich eine freie Fläche von vorzugsweise 0.60 m Breite, jedoch mind. 0.20 m vorzusehen. Sie muss zusammen mit der Länge hinter dem ganz geöffneten Türflügel mind. 1.20 m ergeben (Ziff. 9.2.3). 0.60 m sind für das Manövrieren mit Rollstuhl oder Rollator besonders wichtig, wenn die Türbedienung viel Kraft erfordert. - Bedienelemente Bedienelemente (Klingeln, Lichtschalter, etc.) sind gut zugänglich mit einem Abstand von mind. 0.70 m zu Raumecken anzuordnen. Bedienhöhe 0.80 m – 1.10 m über Boden. (Ziff. 9.6.1)
Empfehlung
- Ausreichende Freiflächen vor Türen sinnvollerweise bei allen Zwischentüren im Hausinneren vorsehen.
- Korridorbreiten von 1.40 m oder mehr
– gewährleisten die Freiflächen vor Türen, insbesondere vor einer Wohnungstüre am Korridorende,
– ermöglichen das Wenden im gesamten Korridor,
– helfen Hilfsmittel an der Wohnungstür abzustellen,
– ermöglichen das Aufstellen von Möbeln und
– gewährleisten in Korridoren den notwendigen Sicherheitsabstand zwischen Türen und Abgängen.
Wege ausserhalb der Wohnung
- Laubengänge
Laubengänge sind stufenlos, schwellenlos und im Minimum 1.20 m breit (Ziff. 9.3.1). Sie benötigen mindestens an einer Stelle eine Manövrierfläche von 1.40 m x 1.70 m (Ziff. 9.3.3).
- Vermeidung von Hindernissen
Bauteile und Einrichtungsgegenstände, gegen die ein sehbeeinträchtigter Mensch stossen kann, weil sie die nutzbare Höhe von 2.10 m unterschreiten oder seitlich um mehr als 0.10 m aus dem Boden oder der Mauer in die Bewegungsfläche hineinragen, sind zu vermeiden, zu eliminieren oder müssen als Hindernisse ertastbar und markiert sein.
Beispiel: geneigte Bauteile, Treppenläufe, Informationsschilder, Kübel, Schaukästen, Briefkästen. Ausgenommen von dieser Anforderung sind Handläufe und Türstürze (Ziff. 9.3.4). - Sicherheit
Hindernisse im Bewegungsraum mit einer Unterkante > 0.30 m über Boden müssen mit einer Abschrankung gesichert sein, um mit dem Weissen Stock erfasst zu werden (Ziff. 9.3.4), Flächen unter Treppenläufen und geneigten Bauteilen ebenfalls,
– entweder durch einen Sockel oder Mobiliar mit einer Höhe von mind. 30 mm
– oder durch eine Traverse, deren Unterkante auf max. 0.30 m über Boden liegt.
Traversen sind als feste Elemente auszubilden. Ketten, Seile oder Bänder sind nicht zulässig.
Ecken und Enden von Abschrankungen welche in den Bewegungsraum ragen, müssen auf ihrer ganzen Höhe mit einem vertikalen Abschluss ausgestattet sein. (Ziff. 9.3.5). - Beleuchtung
Beleuchtungsstärke, Blendungsbegrenzung und Leuchtdichteverteilung müssen die Sicherheit und Orientierung sowie das Ablesen und Absehen von Sprechbewegungen gewährleisten, v.a. an den Hauszugängen und im Treppenhaus. - Parkplätze im Gebäude
Wege zu rollstuhlgerechten Parkplätzen im Gebäude sind vorzugsweise kurz zu halten (Ziff. 9.7.1). Eine Niveaudifferenz zur Haupterschliessung und zu den Wohnungen muss mit einem normkonformen Aufzug überwindbar sein. Eine Rampe bis max. 6% wäre hier ausnahmsweise als Verbindung zwischen Parkfeld und Treppenhaus bzw. Aufzug zulässig (Ziff. 9.1.2). Am Anfang und Ende einer Rampe müssen gefällefreie Freiflächen von mind. 1.40 x 1.40 m vorhanden sein (Ziff. 9.4.3).
Empfehlung
Witterungsschutz
Ein Witterungsschutz sollte möglichst für allen Elemente auf dem Weg bis zur Wohnung vorgesehen werden, für die mit einer Verweildauer gerechnet werden kann:
Rollstuhlgerechte Parkplätze, Verbindung vom Parkplatz zum Hauseingang, Briefkästen, Eingangstür, Laubengänge. Dies ist wesentlich für Bewohner, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und keine Hand für einen Regenschirm frei haben.Abstellräume für Kinderwagen, Velos, Abfallentsorgung etc.
Nahe der Gebäudezugänge gelegene Abstellräume für Kinderwagen, Velos, Abfallentsorgung etc. sind einfach erreichbar und verhindern, dass Durchgangsbereiche als Abstellflächen genutzt werden.
Wege innerhalb der Wohnung
- Anforderungen an Böden, Bodenbelägen, Korridorbreiten, Durchgangsbreiten, Türen, Wendeflächen und Bedienelemente sind in den oben genannten, allgemeinen Anforderungen beschrieben.
- Anpassbarkeit
Im Sinne der Anpassbarkeit ist es möglich, Wende- oder Manövrierflächen für eine rollstuhlgerechte Nutzung erst im Bedarfsfall bereitzustellen, notwendige Wendeflächen beispielsweise durch Umplatzieren von Einbauschränken oder Garderoben. Objekte und Bauteile, die für eine mögliche Anpassung vorgesehen sind, müssen frei bleiben von Leitungen oder Installationen. Massnahmen für Anpassungen müssen mit einfachen baulichen Mitteln und ohne hohe Kosten umsetzbar sein (Ziff. 1.2). - Renovation und Umbau
Zu schmale Gänge in Altbauten können durch das Versetzen von Wänden, den Rückbau von festen Einbauten oder durch Verbreiterung der abzweigenden Türen und Durchgänge kompensiert werden.
Hierbei gilt folgende Formel:
Korridorbreite + nutzbare Tür- oder Durchgangsbreite ≥ 2.0 m
Weitere Beispiele für Anpassungsmöglichkeiten und Lösungsansätze für Bestandssituationen finden Sie veranschaulicht in unserer 2023 neuaufgelegten Richtlinie «Wohnungsbau – hindernisfrei anpassbar».
Stand 11.07.2023