Rollstuhlfahrerin in Aussenanlage einer Wohnsiedlung
Zugangswege zum Hauseingang haben normative Anforderungen zu erfüllen, um auch für Personen mit Einschränkungen hindernisfrei nutzbar zu sein.

Verlangt das Behindertengleichstellungsgesetz BehiG oder die kantonale Baugesetzgebung den hindernisfreien Zugang zur Wohnung, betrifft dies die Erschliessung vom öffentlichem Raum bis zur Wohnungstür. Dieser Beitrag beschreibt die minimalen Anforderungen aller relevanten Bereiche ausserhalb des Wohnhauses, die unter Kapitel 9 «Erschliessung bis zu den Wohnungen» der Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» aufgeführt sind. Die erforderlichen Kriterien an den Hauseingang selbst erläutert der Beitrag «Eingangsbereich im Wohnungsbau».

Erste Priorität für den Zugang ist ein stufenfreier Weg, sowohl bei den Aussenanlagen, als auch beim Übertritt ins Gebäude. Die vorhandenen gemeinsamen Aussenanlagen müssen zugänglich sein (Ziff. 1.1). Dazu gehören Wege, aber auch Sitz-, Grill-, Sport- und Spielplätze (Auslegungen SIA 500:2009, A20).

Behinderte Besucher und Bewohner sollen den selben Zugangsweg benutzen können wie Nichtbehinderte. Nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Renovationen von Wohnbauten) darf der barrierefreie Zugang über einen Nebeneingang führen.

Zusätzlich zu den unten aufgeführten minimalen Anforderungen, die erfüllt werden müssen, empfiehlt die Norm SIA 500 zur Optimierung der Zugänglichkeit bei Wohnbauten die erforderlichen Anforderungen, die bei öffentlich zugänglichen Bauten unter den Kapiteln 3 bis 6 «Erschliessung, Orientierung und Beleuchtung, Raumakustik und Beschallungsanlagen, Bedienelemente und Beschriftungen» aufgeführt werden, zu übernehmen (Ziff. 9.1.5); sehen Sie hierzu die Liste unten.

Breite und Höhe

  • Nutzbare Weg- und Rampenbreite beträgt min. 1.20 m (Ziff. 9.3.1 und 9.4.2).
  • Geringere Weg- und Rampenbreiten bis min. 1.0 m sind zulässig bei:
    – Wegen, zu denen es keine seitlichen Abgänge gibt (Ziff. 9.3.2, Korrigenda C3) und Rampen, die max. 0.40 m Höhe überwinden
    – bei Rampen ist in Folge min. 0.10 m Randaufbordung erforderlich (Ziff. 9.4.2).
  • Die gedeckten Zugangswege müssen eine nutzbare Höhe von min. 2.10 m vorweisen. (Ziff. 9.3.4)

Hinweis der Fachstelle
Die nutzbare Breit von min. 1.20 m ermöglicht das Kreuzen von Rollstuhl/Kinderwagen und Fussgänger. Sie darf durch Abstellflächen (z.B. Velo oder Kinderwägen) nicht eingeschränkt werden.

Manövrierfläche

  • Zirkulationsflächen und notwendigen Stellflächen sind zu beachten (z.B. Drehfläche Rollstuhl 90° = min. 1.40 x 1.40 m).
  • Wenn die Weglänge grösser als 15 m beträgt, muss min. eine Manövrierfläche von 1.40 x 1.70 m vorhanden sein (sinngemäss Ziff 3.4.2).

Gefälle

  • Gemäss der Norm SIA 500 muss der Zugang von der Strasse bis zur Wohnungstür eben, stufen- und schwellenfrei sein (Ziff. 9.1.1, Korrigenda C3).
  • Wenn ein Entwässerungsgefälle erforderlich ist, gelten die folgenden Anforderungen (sinngemäss Ziff. 3.2.3 und 3.2.4):
    – Orientierung des Gefälles vorzugsweise parallel zur hauptsächlichen Fortbewegungsrichtung
    – Neigung ≤ 2% bei Orientierung quer zur Gehrichtung
    – Aussenwege, die ein Gefälle > 2% aufweisen, müssen die Anforderungen an Rampen erfüllen (Ziff. 9.4).

Niveauunterschiede

  • Höhenunterschiede in der Erschliessung müssen mit Rampen, Aufzügen oder Hebebühnen überwindbar sein (Ziff. 9.1.2).
  • Sollten im Aussenraum Stufen vorgesehen sein, sind diese deutlich erkennbar, vorzugsweise an der Vorderkante, durch einen kontrastreichen Streifen von 40 bis 50 mm Breite zu gestalten (Ziff. 9.3.6).
  • Die maximale Steigung eines Zugangsweges oder einer Rampe beträgt 6 %. Eine Steigung zwischen 6 und 12 % ist im begründeten Einzelfall zulässig (Ziff. 9.4.1 und Auslegungen SIA 500:2009, A05).
  • Rampen benötigen gefällefreie Podeste mit Länge von min. 1.40 m vor Türen und Durchgängen und am Rampenanfang und -ende (Ziff. 9.3.2).
    – Bei Änderung der Bewegungsrichtung um mehr als 45° ist gefällefreie Rangierfläche von 1.40 x 1.40 m notwendig (Ziff. 9.4.3).
    – Ragt der Schwenkbereich einer Tür in das Podest, muss zu Sicherung des Manövrierbereichs die Länge auf dem Podest hinter dem geöffneten Türflügel zusammen mit der Breite der Fläche neben der Türe min. 1.20 m messen (Ziff. 9.4.3 und 9.2.3).

Bemerkungen und Hinweise der Fachstelle
Steigung über 6% sollte nur für Nebenerschliessungen gewählt werden. Sie zwingt zur Benutzung eines Zuggerätes oder der Unterstützung durch eine Hilfsperson. Bei Renovationen von Bestandsgebäuden wird sie im Ausnahmefall zugelassen.

Die Gefälle unvermeidbarer Rampen direkt vor dem Eingang beträgt max. 6 % (Ziff. 9.4.1 und Auslegung SIA 500, 2018, A05); Mindestbreite von Rampen 1.20 m (Ziff. 9.4.2). Eine ebene Freifläche muss vor der Haustür mit einer Mindesttiefe von 1.40 m vorhanden sein (bei Richtungsänderungen von ≥ 45°, min. 1.40 x 1.40 m).

Quergefälle (max. 2 % gemäss Ziff. 3.2.3) sind auf Wegen und Rampen zu vermeiden. Diese sind im Rollstuhl schwer ausgleichbar;

Aus Sicherheitsgründen sind Aussenrampen und -treppen mit Handläufen oder Barrieren auszurüsten (Ziff. 9.1.5). Die Norm SIA 500 empfiehlt, hierzu die Anforderungen aus der Kategorie «öffentlich zugängliche Bauten» zu übernehmen; Beitrag «Handläufe, Abschrankungen und Brüstungen».
Angesichts der demographischen Entwicklung und dem gesellschaftlichen Ziel, dass ältere Menschen möglichst lange im normalen Wohnumfeld verbleiben können, müsste dies generell im Wohnungsbau zur Selbstverständlichkeit werden (Auslegungen SIA 500:2009, A19).

Dort, wo der Weg seitlich näher als 1 m an einen abschüssige Stelle (> 12 %) heranreicht, muss ein Geländer als Absturzsicherung geplant werden. Dieses Geländer muss mit einem Blindenstock an einer Traverse (max. 0.30 m ab Boden) oder einem durchlaufenden Sockel (min. 30 mm hoch) ertastbar sein und als Handlauf ausgestaltet werden.

Bodenbeläge

  • Die Oberfläche muss mit geringem Rollwiderstand, welche nur minimale Erschütterungen verursacht, mit hinreichender Trittsicherheit, ohne Stolperstellen und auch in nassem Zustand rutschsicher ist (Ziff. 9.1.1, Korrigenda C3 und Auslegungen SIA 500:2009, A20).
  • Geeignete Bodenbeläge gemäss Anhang B.1 «Eignung von Bodenbelägen»:
    – besonders geeignet: Asphalt- und sauber verlegte Formstein- und Plattenbeläge.
    – wenig geeignet: grobe Waschbeton- und gut gewalzte Mergelbeläge.
    – ungeeignet: Kiesbeläge, Rasengittersteine und Plattenbeläge mit breiten Fugen.

Empfehlung der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu
Rutschhemmung min. GS 2 / R 11

Hindernisse

Hindernisse sind grundsätzlich zu vermeiden oder sie müssen mit dem weissen Stock ertastbar sein.

  • Als auskragendes Hindernis gilt jedes Konstruktionselement oder Ausstattungsteil, das mehr als 0.10 m in die Bewegungsfläche hineinragt und die nutzbare Höhe von 2.10 m unterschreitet (Ziff. 9.3.4). Beispiele: Infotafeln, Briefkasten, Bänke, Veloparkplätze usw.

HöheMinimale Seitenlängen
oder minimaler Durchmesser
1.0 m0.1 m
0.8 m0.2 m
0.6 m0.3 m
0.4 m0.5 m
0.2 m0.7 m

 

  • Hindernisse sind mit einer visueller und taktiler Markierung vorzusehen (Ziff. 9.3.4).
    – Helligkeitskontrast: KM ≥ min. 0.3
  • Auskragende Hindernisse deren Unterkante höher als 0.30 m über Boden liegt, müssen mit einer ertastbaren Abschrankung (Richthöhe 1 m, Sockelhöhe min. 30 mm und untere Traverse max. 030 m über Boden) abgesichert werden (Ziff. 9.3.5).  Ecken und Enden von Abschrankungen welche in den Bewegungsraum ragen, müssen auf ihrer ganzen Höhe mit einem vertikalen Abschluss ausgestattet sein.Traversen sind als feste Elemente auszubilden. Ketten, Seile oder Bänder sind nicht zulässig.

Empfehlung der Fachstelle
Möblierungselemente oder Parkplätze werden vorzugsweise ausserhalb der Gehflächen angeordnet, um die taktile Wegführung nicht zu erschweren.

Bemerkung der Fachstelle
Für sehbehinderte Besucher ist eine einfache und kontrastreiche Erschliessung hilfreich.

 

Zur Optimierung der Zugänglichkeit können Sie optional die für öffentlich zugänglichen Bauten genannten, erforderlichen Anforderungen an «Erschliessung, Orientierung und Beleuchtung, Raumakustik und Beschallungsanlagen, Bedienelemente und Beschriftungen» (Kapitel 3 bis 6, SIA 500) übernehmen (Ziff. 9.1.5). Informationen und Anforderungen in folgenden Beiträgen:

 

Stand 26.07.2019

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