Die Beratungsstelle NOW Hindernisfrei Bauen Nid- & Obwalden feierte im September 2022 ihr 26-jähriges Bestehen. Nach über 2000 Beratungsfällen und einem Rucksack an Erfahrungen, war es an der Zeit Bilanz zu ziehen.

Knapp 40 Persönlichkeiten aus Politik, Bau, Gemeinden, Kanton sowie aus verschiedenen Organisationen aus den Bereichen Behinderung und Senioren lauschten dem Podium. Wie hindernisfrei sind die beiden Kantone heute? Können sie überhaupt barrierefrei werden? Das Bewusststein für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist in den letzten Jahren gestiegen – es wurde viel erreicht, zum Beispiel ist viel Grundlagenwissen in Normen eingeflossen. Dennoch gibt es auch weiterhin offene Baustellen. Viele Bereiche, die das Leben von Menschen mit Behinderung betreffen, fallen in die Zuständigkeit der Kantone beziehungsweise der Gemeinden. In Obwalden stammt das Baugesetz von 1994 und geht betreffend barrierefreies Bauen weniger weit als das Bundesrecht – damit ist es quasi bundesrechtswidrig. In Nidwalden wurde mit dem neuen Baugesetz nicht viel mehr erreicht. Im alten Gesetz gab es wenigstens noch einen Bonus für freiwilliges hindernisfreies Bauen. Im neuen gelten nun die Vorschriften vom Behindertengleichstellungsgesetz – und die sind minimal!

Zusammenfassend lässt sich sagen: die Gesetze greifen in beiden Kantonen zu kurz. Denn im Wohnungsbau muss die hindernisfreie Bauweise erst ab 8 Wohnungen pro Haus angewendet werden. Gerade in der kleinräumigen Baustruktur der Gebirgskantone Ob- und Nidwalden sind Wohnhäuser mit mehr als 8 Wohneinheiten jedoch selten. Fazit: Es gibt viel zu wenig Wohnungen, die für Menschen mit Behinderung geeignet und anpassbar sind. Die Situation ist noch prekärer, wenn man bedenkt, dass beide Kantone zwar längst in ihrem Altersleitbild und Gesundheitsgesetz die ambulante statt stationäre Pflege postulieren. Soll dies wirklich greifen, muss aber ein flächendeckender anpassbarer Wohnungsbau gefördert werden, damit alle Menschen ihr Anrecht auf eine selbstbestimmte Lebensgestaltung bis ins hohe Alter tatsächlich wahrnehmen können.

Baudirektor Jospef Hess verspricht noch in dieser Legislatur das Obwalder Baugesetz zu revidieren. Thomas Z`Rotz, Präsident des Vereins NOW, resümiert daher mit Blick auf die freie Wahl von Wohnort und Wohnform: „Ich habe einen Traum, ich träume von einer hindernisfreien Architektur in der ich mich spontan, ohne kompliziertes Planen, frei und unbekümmert bewegen kann, so wie jeder andere auch.“ Das gilt sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für Betagte. Da die Schweiz gebaut ist, liegt die Herausforderung in den nächsten Jahren besonders bei Umbauten und Altbausanierungen. Hindernisfrei zu bauen heisst damit nicht nur die Rollstuhlgängigkeit, sondern auch das Hören und Sehen für alle zu berücksichtigen. Um diese Umsetzung gezielt zu fördern, müssen neben der Baugesetzrevision weitere starke Anreizsysteme und Aktionspläne entwickelt werden. Dringend!

      Themen Publikationen: Gleichstellung / Umsetzung. Publikationsarten: Artikel.