Ende Oktober 2021 haben wir im Architekturforum Zürich im Rahmen der Veranstaltung «40 Jahre Engagement für eine bessere Gesellschaft» die Gewinnerprojekte unseres Jubiläumswettbewerbs einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Geehrt wurden vier vorbildlich gestaltete hindernisfreie Hauseingänge für unterschiedliche - alles geschützte - Gebäude.

Nachdem Eva Schmidt als Fachstelleleiterin den Abend mit einem spannenden Rückblick in die Anfänge der Schweizer Fachstelle eröffnete und in die wichtigsten Kriterien für ein «Design for all» einführte, wurde es im zweiten Teil des Abends festlich: Während der Preisverleihung und unter Anwesenheit aller Jurymitglieder wurden die ausgewählten Projekte mit einer Auszeichnung gewürdigt. Von fast 30 Eingaben – die uns sehr gefreut haben – kamen 23 in die engere Wahl. Ausgezeichnet wurden gestalterisch gute, ganzheitliche Ansätze mit praxisgerechten Lösungen, die eine hohe Nutzungsqualität aufweisen.

Die drei Gewinnerbeiträge stehen gleichberechtigt nebeneinander – ein viertes Projekt erhält eine lobende Erwähnung. Alle vier Beiträge zeigen, wie sich Hindernisfreiheit im Sinne des «Design for all» selbstverständlich in ein Gesamtkonzept integrieren lässt und dass ein hindernisfreier Hauseingang Teil der guten Gestaltung sein kann. Auf unsere These, ob «Design for all» und das Verständnis für die Autonomieansprüche von Menschen mit Behinderung damit inzwischen als Planungsgrundlage unter den Architekt*innen anerkannt ist, entgegnete Ruth Giger (Amrein Giger Architekten), eine der Preisträger*innen, dass man hier noch ganz am Anfang einer architektonischen Entwicklung stehe, welche die Architekturschaffenden in den nächsten Jahren vermehrt fordern wird. Remo Halter Casagrande, ebenfalls Preisträger (ARGE Lussi + Halter Architekten), sieht eine wichtige Aufgabe der Schweizer Fachstelle darin, die ergonomischen Hintergründe zu erklären, die zu einem bestimmten Normmass führen. Nur so könne man auch als Planende*r in Zukunft Verständnis für die besonderen Abhängigkeiten entwickeln. Insgesamt ein bereichernder und motivierender Abend, herzlichen Dank dafür! 

1. Preis: Umbau Universität Basel, 2014 (ex aequo)

Mit dem Umbau der Alten Universität in Basel hat Amrein Giger Architekten für den Haupteingang des Gebäudes eine selbstverständlich erscheinende Lösung gefunden, die intuitiv für alle nutzbar ist. Denn, während man das Gebäude früher durch einen schmalen Eingang am Rheinsprung betrat, befindet sich der Haupteingang seit dem gekonnten Eingriff auf der Terrasse zum Rhein. Dafür wurde der ehemalige schmale Personaleingang im Hof zum Haupteingang verbreitert, mit einer leichten Rampe versehen und stärker auf den Vorplatz ausgerichtet. Kontrastreiche Bodenflächen, deren Farben mit der Bestandsfassade harmonieren, betonen die neue Eingangssituation, sodass sie schon von der Gasse her gut zu erkennen ist und sich bestens in das städtische Gefüge integriert. Die automatisierte Eingangstür führt in einen grosszügigen Empfangsraum, von wo Treppe und Lift Seminarteilnehmende und Besucher*innen in die übrigen Geschosse bringen. Alles in allem eine sehr gelungene, ästhetisch ansprechende und ganzheitlich ausgerichtete Umsetzung.

1. Preis: Umbau Espenhof Süd, 2021 (ex aequo)

Geradezu mustergültig setzte auch das Projekt von Peter Moor Architekten die Intention des Wettbewerbs um. Der Umbau des Eingangs der Wohnsiedlung Espenhof in Zürich Albisrieden wurde erst in diesem Jahr fertiggestellt  und besticht mit einem Hauseingang als «Adresse für alle». Denn der ehemalige Strassenzugang wurde im Lauf der Jahre zum schmuddeligen Hintereingang. Um nicht nur die Hindernisfreiheit zu gewährleisten, sondern den Zugang auch leichter auffindbar zu gestalten – denn dies ist ein sehr wichtiger Aspekt für Menschen mit Behinderung – verlegten die Architekt*innen bei der Sanierung der Anlage den Haupteingang wieder (zurück) an die Strasse. Der neue Eingang mit Vordach und Schiebetür integriert sich heute gut in den 1950er- Jahre-Stil des Gebäudes. In dem sich anschliessenden Foyer wurde nicht nur Bewegungsfläche für Rollstuhlfahrende, sondern auch viel Raum für Begegnungen geschaffen. Mit seiner Überhöhe ist es eine prominente Eingangsgeste für alle. Die Ausführung wurde sehr sorgfältig und präzise umgesetzt. Die Gegensprechanlage funktioniert nach dem Zwei-Sinnen-Prinzip. Und – vom Foyer aus erreichen die Bewohner*innen nun via einem neuen grosszügigem Lift die 53 Wohnungen in den oberen Geschossen. Eine insgesamt gelungene Aufwertung im Sinn des «Design for all», welche die Siedlung wieder klar im Stadtgefüge verortet.

1. Preis: Umbau Zentral – und Hochschulbibliothek, 2019 (ex aequo)

Der kecke Ansatz der Architektengemeinschaft von Lussi + Halter für die Zentral -und Hochschulbibliothek in Luzern ist mutig und verkörpert das Prinzip des «Design for all» als klares Statement für eine gleichwertige Zugänglichkeit! Die elegant geschwungene, nachts mit Lichtbändern illuminierte Rampe steht gleichwertig neben der bisherigen Haupterschliessung, – einer denkmalgeschützten Treppe. Das Steigungsverhältnis und die Aufbordung der Rampe sind nach allen Regeln der hindernisfreien Baukunst ausgeführt, dennoch wirkt der Ansatz selbstverständlich und nicht erzwungen. Dank der nächtlichen Beleuchtung und der Wegführung entlang des Parkwegs finden auch Menschen mit Sehbehinderung den Zugang zur Bibliothek leichter. Die Lösung des Haupteingangs am denkmalgeschützten Bibliotheksgebäude verkörpert damit mustergültig das Prinzip des «Design for all» und widerspiegelt die gestalterische Virtuosität, welche wir uns als Fachstelle im Umgang mit Hindernisfreiheit wünschen. Eine souveräne Geste, die sich gut in das Gesamtbild des Ensembles einfügt und Teil der Stadtlandschaft wird.

Lobende Erwähnung: Umbau Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, 2015 (ex aequo)

Eine lobende Erwähnung erhält der Umbau der ZHdK in der Gessnerallee, Zürich von Weberbrunner Architekten: Auch er besticht durch eine funktionale Lösung die gut in Szene gesetzt wurde. Während die Architekt*innen (Weberbrunner) den Gestaltungsansatz dreier freistehender Häuser, die im Übrigen zu den kommunalen Inventarobjekten gehören, wahrten, wurden die Eingänge im Erdgeschoss neu als Fenster zur Stadt konzipiert. Dank automatischer Schiebetüren, einem stufenlosen Zugang und dem Entfernen der früheren engen Windfänge sind die Proberäume heute für Menschen im Rollstuhl nutzbar. Die Eingänge wirken mit ihren fein gerippten Toren fast wie ein Teil eines Bühnenbilds und gewährleisten mit ihrer guten Sichtbarkeit, dass auch Menschen mit Sehbehinderung sie finden. Markierungen auf den Glastüren fehlen zwar, immerhin unterstützen dunkle Türrahmen aber den Kontrast. Der Umbau dieser Eingänge zeigt mit wenigen Abstrichen dennoch, dass hindernisfrei Bauen nicht im Widerspruch zu einer räumlichen und ästhetisch guten Architektur steht!