Person mit Rollstuhl beim Einstieg in den Bus an Haltestelle mit hoher Haltekante
Bushaltestellen mit hohen Haltekanten gewährleisten die autonome Benutzung für Menschen mit Behinderung und damit die nach BehiG erforderliche lückenfreie Transportkette.

Haltestellen des öffentlichen Verkehrs müssen gemäss Behindertengleichstellungsgesetz BehiG autonom benutzbar sein. Die Botschaft zum BehiG präzisiert, dass bis Ende 2023 eine «möglichst lückenfreie Transportkette für Menschen mit Behinderung» auszubauen ist. Als BehiG-konform gilt eine Haltekantenhöhe von min. 22 cm, die den selbständigen Einstieg ermöglicht.

Welche technischen Anforderungen die Gestaltung der Einrichtungen und Fahrzeuge erfüllen muss, wird in der «Verordnung über die technischen Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs» VAböV geregelt. Die funktionalen und technischen Anforderungen an Bushaltestellen sind in der VSS Norm SN 640 075 «Hindernisfreier Verkehrsraum» präzisiert.

Autonomer Einstieg

Grundsätzlich sind alle Haltestellen so anzuordnen, dass sie auf der ganzen Länge mit hohen Haltekanten ausgestattet werden können und der autonome Einstieg für Personen mit Rollstuhl gewährleistet ist. Abweichungen sind nur dort zulässig, wo es nicht möglich ist, die Voraussetzungen für hohe Haltekanten zu schaffen. Folgende Reihenfolge und Prioritäten sind bei der Lösungssuche einzuhalten:

Priorität Haltekantenhöhe
1.Höhe ≥ 220 mm über die ganze Plattformlänge 1)
2.verschieben der Haltestelle; Höhe ≥ 220 mm über die ganze Plattformlänge 1)
3.Teilerhöhung ≥ 220 mm beim Rollstuhleinstieg, übrige Höhe 160 mm
4.Höhe 160 mm und Einstieg mit fahrzeugseitiger Rampe 2)

 

1)   am besten geeignet, da bei grosser Nachfrage (Kinderwagen, Rollstühle, Rollatoren, …) alle Zugänge nutzbar sind.

2)   kein autonomer Einstieg, Hilfestellung durch Personal sowie grössere Perronbreiten von mindestens 2.90 m erforderlich.

Lage im Verkehrsraum

Damit hohe Haltekanten realisiert werden können, müssen die Fahrzeuge an- und wegfahren können, ohne im Bereich der hohen Perronkante auszuschwenken und den Trottoirbereich zu überstreichen. Eine parallele Anfahrt an die Haltekante ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Einhaltung der für den autonomen Einstieg maximal zulässigen Niveaudifferenzen (3 – 5 cm) und Spaltbreiten (5 – 7 cm). Bei der Anordnung der Haltestellen sind dazu folgende Kriterien zu erfüllen:

  • Anordnung auf einem geraden Streckenabschnitt, nicht in Kurven.
  • Keine Einmündungen und Gebäudezufahrten im Bereich der Haltestelle.
  • Ausreichende Manövrierflächen im Bereich der Haltestellenplattform. 
  • Das Längsgefälle im Haltestellenbereich soll vorzugsweise 3% nicht überschreiten. 
  • Kann bei einem Gefälle ≥ 6 % die Haltestelle nicht in einen horizontalen Streckenabschnitt verschoben werden, darf die Plattform kein zusätzliches Quergefälle aufweisen.

Abstand zu Kurven und Hindernissen

  • Bei der Anfahrt an die Haltestelle ist ein Abstand zu vorgelagerten Kurven und Hindernissen von 20 m erforderlich. Der Bus muss sich vor erreichen der hohen Haltekante auf eine Länge von min. 16.5 m parallel zum Fahrbahnrand ausrichten können. Dazu wird auf eine Länge von min. 6 m eine Anfahrhilfe (vgl. Form der Haltekante) mit 0.16 m Höhe vorgelagert. 

Skizze Bushaltestelle Anfahrt mit Hindernis

 

  • Bei der Wegfahrt von der Haltestelle ist ein Abstand zu Hindernissen (z.B. Parkfeld) von min. 15 m erforderlich.

Bushaltestelle Wegfahrt mit Hindernis

 

  • Bei geringfügigen Linkskurven mit Aussenradius ≥ 1’200 m, sowie bei Rechtskurven mit Innenradius ≥ 350 m, ist die parallele Anfahrt möglich.
  • Bei Linkskurven mit Aussenradien < 1’200 m kann durch das Vorziehen des Fahrbahnrandes (Trottoirnase) die parallele Anfahrt an die Haltekante ermöglicht werden. Je nach Geometrie der Anfahrt ist dies eventuell nur im vorderen oder nur im hinteren Bereich der Haltekante erforderlich. 

Busbucht

Hohe Haltekanten bei Busbuchten erfordern grosszügige Platzverhältnisse sowie speziell konzipierte Nasen und Einbuchtungen am Fahrbahnrand um das Ein- und Ausschwenken ohne Touchieren der Haltekante zu ermöglichen. Busbuchten sind aufgrund des hohen Platzbedarfs zu vermeiden. 

Mehrfachhaltestellen und Bushöfe

  • Auf einem Bushof sind die Haltekanten so anzuordnen, dass jeder Bus möglichst geradlinig die ihm zugewiesene Haltekante anfahren und ohne überstreichen der hohen Perronkante wieder ausfahren kann.
  • Bei Mehrfachhaltestellen mit fest zugordneten Haltepunkten für einzelne Linie muss die parallele Anfahrt an jede einzelne Position möglich sein. Für die Wegfahrt ist ein Abstand zum davorstehenden Fahrzeug von 13 – 15 m erforderlich.

Höhe der Haltekanten

  • Elektrorollstuhl beim Einstieg in den BusDie Höhe der Haltekante ist auf der ganzen Länge der Plattform auf die Höhe der Fahrzeugplattform beim rollstuhlgängigen Einstieg ausgerichtet.
  • Bei Haltekantenhöhen von 220 mm kann mit Hilfe der Neigetechnik der Fahrzeuge (Einstellung des Kneeling auf 220 – 240 mm) in der Regel der autonome Einstieg erfüllt werden. 
  • Spalten sowie geringfügige Resthöhen können bei Bedarf mit fahrzeugseitigen Rampen überbrückt werden. 
  • Das Quergefälle der Fahrbahn wird vorzugsweise zur Fahrbahnmitte abfallend ausgeführt damit die Neigung des Busses beim Kneeling abgeschwächt und nicht zusätzlich erhöht wird.

Überwindung von Resthöhen und Spalten

Selbst bei optimal auf das Fahrzeug abgestimmter Plattformhöhe führen Abweichungen von der Sollhöhe bedingt durch Bautoleranzen, Fahrzeugeinstellung, variable Beladung, Toleranzen bei der Federung oder Reifenabrieb, situativ zu Absätzen bis zu 50 mm Höhe.

Bei Niveaudifferenzen ≤ 30 mm sind Spaltbreiten bis etwa 70 mm für die meisten Personen mit Rollstuhl befahrbar. Absätze von 50 mm oder mehr sind hingegen für viele Nutzer auch bei Spaltbreiten < 70 mm nicht ohne fahrzeugseitige Rampe überwindbar. Die nach TSI-PRM zulässigen Absätze bis 50 mm Höhe und Spaltbreiten bis 75 mm können viele Betroffene nicht selbständig überwinden.

Auch geringe Resthöhen und Spalten müssen im Bedarfsfall mit einer fahrzeugseitigen Rampe überbrückt werden (für einzelne Nutzergruppen immer erforderlich). Rampen ohne seitliche Randaufbordung können bei einer Neigung ≤ 6% seitlich überfahren werden. Eine Perronbreite von 2.0 m ist unter diesen Voraussetzungen ausreichend.

Form der Haltekanten

  • Detail eines Bus an einer hohen Haltekante mit Einkerbung zum Schutz der KarosserieDetailaufnahme eines hohen Randsteins mit Spurführung und KerbeDie hohe Haltekante ist als Anfahrhilfe auszubilden damit ein zielgenaues Anfahren zur Einhaltung der zulässigen Spaltbreiten gewährleistet ist. 
  • Zusätzlich ist im Bereich vor der hohen Haltekante der Randstein auf einer Länge von 6 m mit einer Anfahrhilfe von 160 mm Höhe auszubilden.
  • Eine zweistufige Aussparung im Randstein (z.B. Züri-Bord, Kasseler-Sonderbord Plus) verhindert, dass die Karosserie der Fahrzeuge beschädigt wird.
  • Eine Aufrundung am fuss des Randsteins schont die Reifen und reduziert den Spalt auf das Minimum.

 

Stand am 03.12.2018

      Verkehrsraum: Strassen. Öffentlicher Verkehr: Bushaltestellen. Themen Fachinformationen: Fahrbahnabgrenzung / Trennelemente, Haltekanten an Haltestellen und Längs- / Querneigung.