Verordnung über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsverordnung, BehiV) vom 19.11.03 (Stand 01.01.16)

Abschn. 1

Art. 1 Gegenstand

1 Diese Verordnung enthält Bestimmungen zu:

(…)
c. den Anforderungen an eine behindertengerechte Erstellung oder Erneuerung von Bauten und Anlagen, die im Eigentum des Bundes stehen oder von ihm mitfinanziert werden;
d. (…)

2 Die Massnahmen im öffentlichen Verkehr sind in der Verordnung vom 12. November 20031 über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs geregelt.
1 SR 151.34

Art. 2 Begriffe

Die folgenden Ausdrücke bedeuten:

a. Bau und Erneuerung(Art. 3 Bst. a, c und d BehiG): Die Erstellung und die Änderung von Bauten und Anlagen, soweit sie einem ordentlichen oder einfachen kantonalen Bewilligungsverfahren unterstellt sind;
b. Bauten und Anlagen(Art. 3 Bst. a BehiG): befristet errichtete oder auf Dauer angelegte Räumlichkeiten und Einrichtungen;
c. öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen (Art. 3 Bst. a BehiG): Bauten und Anlagen:

1. die einem beliebigen Personenkreis offen stehen,
2. die nur einem bestimmten Personenkreis offen stehen, der in einem besonderen Rechtsverhältnis zu Gemeinwesen oder zu Dienstleistungsanbieterinnen und -anbietern steht, welche in der Baute oder Anlage tätig sind. Ausgenommen sind Bauten und Anlagen, die zur Kampf- und Führungsinfrastruktur der Armee gehören, oder
3. in denen Dienstleistungsanbieterinnen und -anbieter persönliche Dienstleistungen erbringen;

d. (…)

 

Abschn. 3 Geltendmachung von Rechtsansprüchen und Verhältnismässigkeitsprinzip

Art. 5 Beschwerde- und klageberechtigte Organisationen

(Art. 9 BehiG)

1 Beschwerde- und klageberechtigt nach Artikel 9 Absatz 2 BehiG sind Behindertenorganisationen:

a. mit eigener Rechtspersönlichkeit;
b. die sich seit mindestens 10 Jahren nach ihrem statutarischen Zweck hauptsächlich für die besonderen Belange der Behinderten einsetzen;
c. deren Tätigkeit von nationaler Bedeutung ist; und
d. die in Anhang 1 dieser Verordnung aufgeführt sind.

2 Gesuche um Anerkennung als beschwerde- und klageberechtigte Organisation sind dem EBGB einzureichen. Den Gesuchen sind alle Dokumente, die zur Überprüfung der Voraussetzungen gemäss Absatz 1 Buchstaben a-c notwendig sind, beizulegen.

3 Ändern beschwerde- und klageberechtigte Organisationen ihren statutarischen Zweck, ihre Rechtsform oder ihre Bezeichnung, so teilen sie dies dem EBGB unverzüglich mit.

4 Das EBGB kontrolliert periodisch, ob die beschwerde- und klageberechtigten Organisationen die Voraussetzungen für das Beschwerde- und Klagerecht erfüllen. Stellt es fest, dass eine Organisation diesen nicht mehr genügt, so beantragt das EDI dem Bundesrat, den Anhang 1 entsprechend zu ändern.

Art. 6 Abwägung der Interessen

(Art. 11 Abs. 1 BehiG)

1 Zur Beurteilung der Frage, ob ein Missverhältnis im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 BehiG vorliegt, muss in der Interessenabwägung namentlich berücksichtigt werden:

a. die Zahl der Personen, welche die Baute oder die Anlage benutzen oder die Dienstleistung in Anspruch nehmen;
b. die Bedeutung der Baute, der Anlage oder der Dienstleistung für die Menschen mit Behinderungen;
c. der provisorische oder dauerhafte Charakter der Baute, der Anlage oder der Dienstleistung.

2 Sind die Interessen der Behinderten gegen die Interessen des Umweltschutzes, des Naturschutzes oder des Heimatschutzes und der Denkmalpflege abzuwägen (Art. 11 Abs. 1 Bst. b BehiG), so sind zusätzlich zu berücksichtigen:

a. die Bedeutung der Baute oder der Anlage aus der Sicht des Umweltschutzes, des Naturschutzes oder des Heimatschutzes und der Denkmalpflege; und
b. das Ausmass, in dem die verlangten Anpassungen:

1. die Umwelt beeinträchtigen;
2. die Bausubstanz, die Struktur und das Erscheinungsbild der Baute oder der Anlage aus der Sicht des Naturschutzes oder des Heimatschutzes und der Denkmalpflege beeinträchtigen.

Art. 7 Massgebliche Kosten

(Art. 12 Abs. 1 BehiG)

1 Der maximale Wert von 5 Prozent des Gebäudeversicherungswertes im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 BehiG muss auf der Grundlage des Versicherungswertes des Gebäudes vor der Erneuerung berechnet werden.

2 Als Erneuerungskosten im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 BehiG gelten die voraussichtlichen Baukosten ohne besondere Massnahmen für Behinderte.

Abschn. 4 Bauvorschriften des Bundes

(Art. 15 Abs. 2 BehiG)

Art. 8

1 Die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» ist massgeblich für:1

a. die Verwaltungseinheiten, die nach Artikel 8 der Verordnung vom 5. Dezember 20083 über das Immobilienmanagement und die Logistik des Bundes für das Immobilienmanagement zuständig sind;
b. die Verwaltungseinheiten, die Wohnbauten erstellen oder mitfinanzieren;
c. die Verwaltungseinheiten, die Finanzhilfen oder Abgeltungen nach dem Subventionsgesetz vom 5. Oktober 19904 ausrichten.

2 Diese Verwaltungseinheiten erarbeiten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich ein Konzept zur Umsetzung der Anliegen der Behinderten bezüglich der Bauten und Anlagen im Rahmen der verfügbaren Mittel.

3 Die Bestimmungen der Verordnung vom 12. November 20035 über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs bleiben vorbehalten.
1 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. April 2010, in Kraft seit 1. Juni 2010 (AS 2010 1737).
2 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 28. April 2010, in Kraft seit 1. Juni 2010 (AS 2010 1737).
3 SR 172.010.21
4 SR 616.1
5 SR 151.34

Abschn. 5 Dienstleistungen des Bundes

Art. 9 Dienstleistungen mit Publikumsverkehr

1 Die Verwaltungseinheiten der zentralen und dezentralen Bundesverwaltung, die Organisationen und die Unternehmen nach Artikel 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19971 (RVOG) sowie die Organisationen und Unternehmen, die gestützt auf eine Konzession des Bundes tätig sind, ergreifen die notwendigen baulichen und technischen Massnahmen, um ihre Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen.

2 Sie rüsten insbesondere ihre Automaten so aus, dass Behinderte sie benutzen können.

3 Sie stellen sicher, dass behinderte Personen, die auf Grund ihrer Behinderung technische Hilfsmittel nicht selbstständig bedienen können, die notwendige Hilfestellung erhalten.

4 Die Bestimmungen der Verordnung vom 12. November 20032 über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs bleiben vorbehalten.
1 SR 172.010
2 SR 151.34

Anhang 11

(Art. 5)

Verzeichnis der nach BehiG beschwerde- und klageberechtigten Behindertenorganisationen

1. AGILE.CH Die Organisationen von Menschen mit Behinderung
2. Federazione Ticinese Integrazione Andicap (FTIA)
3. pro audito schweiz
4. Pro Infirmis
5. Procap
6. Inclusion Handicap
7. Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV)
8. Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV)
9. Schweizerischer Blindenbund Selbsthilfe blinder und sehbehinderter Menschen (SBb)
10. Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen (SZB)
11. Schweizerischer Verband für Gehörlosen- und Hörgeschädigten-Organisationen (Sonos)
12. Stiftung zur Förderung einer behindertengerechten baulichen Umwelt
13. Schweizerischer Gehörlosenbund (SGB-FSS)
14. Insieme Schweizerische Vereinigung der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung

1 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 4. Dez. 2015, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 5561).

      Rechtsebene / Standortkanton: Bundesrecht. Erlass / Rechtspraxis: Verordnungen/Reglemente.