Das Wohnungsinnere so zu bauen, dass es einfach angepasst werden kann, ist vorausschauend und erhöht den Komfort für alle Bewohnerinnen und Besucher.

Die Norm SIA 500 «Hindernisfreie Bauten» nennt die «Anpassbarkeit des Wohnungsinneren» als eine der drei konzeptionellen Voraussetzungen für Bauten mit Wohnungen (Ziffer 1.3.3.1).

Die sehr individuellen Bedürfnisse von Bewohner oder Bewohnerin müssen sobald sie notwendig werden, durch einfache, kostengünstige Massnahmen angepasst werden können.

Als Basis hierfür muss die Wohnung mit all ihren Haupt- und Nebenräumen (inklusive Balkon und Terrasse) in einem Rollstuhl nutzbar sein, denn wo sich eine Person im Rollstuhl bewegen kann, wird dies auch allen anderen Menschen möglich sein (siehe «Rollstuhlgängigkeit als Massstab» im Beitrag «Anpassbarer Wohnungsbau»).

In Bestandsbauten, in denen die stufenlose Erschliessung bis zu den Wohnungen vorerst nicht realisiert werden kann, ist es dennoch sinnvoll, Wohnungen im Inneren anpassbar umzubauen. So kann sich eine Person, die im Verlauf ihres Lebens sukzessive auf Gehstützen oder einen Rollator angewiesen ist, gefahrenfrei in ihrer Wohnung bewegen und möglichst lange dort verbleiben.

Damit eine Wohnung im Nachhinein sinnvoll angepasst werden kann, muss im Wesentlichen die ganze Wohnung

  1. stufen- und schwellenlose Nutzflächen,
  2. Durchgängen mit ausreichend nutzbarer Breite und
  3. ausreichende Bewegungsflächen aufweisen.

1. Stufen- und schwellenlose Nutzflächen

  • Niveauunterschiede im Wohnungsinneren vermeiden. Nutzflächen müssen stufen- und absatzlos sein (Ziff. 10.1.1).
  • Schräge Ebenen und Rampen sind im Wohnungsinneren nicht zulässig (Ziff. 9.1.2, 10.1.1), auch nicht zum Erreichen von höher oder tiefer gelegenen Balkonen oder Terrassen (Auslegungen SIA 500:2009, A24).
  • Türen, Fenstertüren und Durchgänge möglichst absatz- und schwellenlos ausführen (Ziff. 10.1.1, 9.2.2).
  • Mehrgeschossigen Wohnungen, deren Niveaus nicht bereits durch einen Aufzug verbunden sind, müssen den nachträglichen Einbau einer Hebebühne oder mindestens eines Treppenlifts ermöglichen (Ziff. 10.1.2, 3.8). Es ist sinnvoll, den Platzbedarf für die entsprechende Aufzugsanlage bereits bei der Planung vorzusehen.
  • Duschen sind bevorzugt bodeneben und ohne Schwelle auszuführen (Ziff. 10.2.5).
  • Von Waschküchen, die ausserhalb der Wohnung zur Verfügung stehen, muss mindestens eine pro Gebäude stufen- und absatzlos erreichbar und zugänglich sein oder im Sinne der Anpassbarkeit zugänglich gemacht werden können (Ziff 10.5.2).
  • Ein Viertel (Richtwert) der ausserhalb der Wohnung gelegenen Abstellräume muss stufen- und absatzlos erreichbar und zugänglich sein (Ziff. 10.5.1).

2. Durchgänge mit ausreichend nutzbarer Breite

  • Alle Türen benötigen bei geöffnetem Türflügel eine nutzbare Breite von mindestens 0.80 m (Ziff. 10.1.1, 9.2.1).
  • Korridore müssen eine nutzbare Breite von mind. 1.20 m aufweisen (Ziff. 10.1.1, 9.3.1).
    Schmale Korridore zwischen 1.00 m und 1.20 m Breite sind zulässig, wenn diese keine seitlichen Abgänge haben und geradläufig sind. Sind bestehende Korridore zu schmal, muss mindestens folgende Formel erfüllt werden:
    Korridorbreite bei seitlich abgehender TürNutzbare Tür- oder Durchgangsbreite (T) + Korridorbreite (K)  ≥  2.00 m
    In der Regel ist es einfacher, die Türen zu verbreitern als den Korridor.

    Flure mit einer geringeren Breite als 1.00 m sind nicht zulässig (Ziff. 10.1.1, 9.3.2).

3. Ausreichende Bewegungsfläche

  • Wohnungsinterne Korridore müssen mindestens eine Wendefläche von 1.40 x 1.70 m aufweisen (Ziff. 9.3.3 und 10.1.1). Kann diese Fläche dort weder angeboten noch nachträglich z.B. durch Entfernen von Einbauschränken hergestellt werden, darf sie sich auch in einem angrenzenden Raum befinden.
  • Bewegungsflächen an WohnungstürenBei der Wohnungseingangstüre muss neben dem Schwenkbereich des Türflügels eine freie Fläche von mind. 0.60 m Breite zur Verfügung stehen, gemessen ab der Türblattkante (Ziff. 9.2.3). Dies ermöglicht Personen mit Rollstuhl die Türe zu öffnen, ohne aufwändig rückwärts zu manövrieren. Fehlt in bestehenden Bauten die 0.60 m breite Freifläche muss sicher gestellt werden, dass hinter dem geöffneten Türflügel genügend Manövrierfläche vorhanden ist. Es gilt die Formel x + y = 1.20 m. Die Breite x soll so gross wie möglich sein, jedoch mindestens 0.20 m.

    Wenn immer möglich, ist der Abstand von 0.60 m neben dem Türdrücker auch bei Wohnungsinnentüren einzuhalten.

  • In Sanitärräumen müssen ausreichend Manövrierflächen vor Waschbecken, Klosettbecken, Dusche und Badewanne vorhanden sein. Grundlage für die Dimensionierung bilden die notwendigen Freiflächen, um an die Apparate heranzufahren bzw. vom Rollstuhl zu transferieren. Sie lassen sich mit einer Nutzfläche von mind. 3,80 m2 erfüllen, sofern keine Raumabmessung 1,70 m unterschreitet. Bei Kleinwohnungen mit einem Dusch/WC-Raum darf die Nutzfläche weniger betragen, mind. aber 3,60 m2 (Ziff. 10.2.1).
  • Im besuchsgeeigneten WC ist der Zugang zum Klosettbecken mindestens 0,80 m breit. Die nutzbare Fläche vor dem Klosettbecken von 0,80 x 1,20 m darf bei geöffneter Türe aus dem Raum ragen, jedoch nicht durch den Türflügel eingeschränkt werden (Ziff. 10.2.2).
  • Mindestens ein Zimmer benötigt einen Schlafbereich mit einer minimalen Fläche von 14 m2 und eine minimale Breite von 3,0 m (Ziff. 10.4).
  • Bewegungsflächen vor Küchenzeilen sind bei gegenüberliegenden Küchenzeilen mind. 1,20 m breit. Bei L-förmigen und einzeiligen Küchen ist eine Freifläche von 1,40 x 1,70 m notwendig. Ein Teil der Küchenarbeitsfläche (mind. 0,60 x 1,10 m) muss unterfahrbar sein oder entsprechend angepasst werden können (Ziff. 10.3).
  • In Nebenräumen sind die Freiflächen zum Manövrieren und Bedienen von Regalen, Apparaten usw. nachzuweisen. Vor Geräten wie Waschmaschine oder Wäschetrockner muss eine Freifläche von 1.40 x 1.40 m vorhanden sein oder bei Bedarf geschaffen werden können, damit Rollstuhlfahrende die Apparate bedienen und Wäsche ein- und ausladen können. Freiflächen von nebeneinander stehenden Geräten dürfen sich überschneiden (Ziff. 10.5.3).

Massnahmen zur Reduktion des Anpassungsaufwands

Mit vorausschauenden Massnahmen lässt sich der Aufwand für spätere individuelle, bauliche Anpassungen massgeblich reduzieren. Beispiele dafür sind:

  • Verstärkung von Leichtbauwänden und Vorwandinstallationen an den am häufigsten benötigten Befestigungspunkten für Hilfsmittel wie Handläufe, Haltegriffe, Klappsitze etc.
  • Typische Montagepositionen für Haltegriffe nicht durch Elektroinstallationen oder andere feste Installationen verbauen.
  • Fest installierte Trennelemente in Sanitärräumen vermeiden, die eine spätere Anpassung verkomplizieren.
  • Küchenelemente auf dem Fertigboden aufstellen und Sockel unterhalb von Spülbecken, Arbeitsfläche und Herd nicht als Installationsraum nutzen.
  • Bei Balkonfläche, die tiefer liegen als der Innenraum, die Geländerhöhe so festlegen, dass das Balkonniveau mit einem Holzrost in der Höhe angepasst werden kann.
  • Einbauschränke so einbauen, dass sie einfach demontierbar sind, um die nötigen Bewegungsfläche z.B. in einem Flur, Eingangsbereich oder Nebenraum schaffen zu können.

Weitere Informationen und Illustrationen zur Anpassbarkeit des Wohnungsinneren finden Sie in unserer Neuauflage der Richtlinie «Wohnungsbau hindernisfrei – anpassbar». Es sind im Dokument auch Lösungsansätze für Umbausituationen aufgeführt und zeigen mögliche Umsetzungen auf.

Kosten

Bei rechtzeitiger, aufmerksamer Planung verursacht der minimal grössere Platzbedarf bei Neubau kaum finanziellem Mehraufwand. Bei Umbauten kann der Aufwand höher sein. Gemäss BehiG, Art.12 gelten bauliche Anpassungen bis 5% des Gebäudeversicherungswertes oder 20% der Baukosten als verhältnismässig.

Die Realität zeigt, dass der minimal grössere Platzbedarf zu einem längerfristigeren Werterhalt der Immobilie, zu Komfortsteigerung, Sicherheit, Ertragssteigerung und zu volkswirtschaftlicher Entlastung führt. Von Wohnbauten, die hindernisfrei anpassbar erstellt oder umgebaut werden, profitieren alle. Sie sind generell attraktiv und multifunktional.

Empfehlung
Verzichten Sie in jeder Wohnung auf alle Hindernisse, deren Vermeidung nichts kostet. Dies wirkt kostenneutral und schafft gleichzeitig in möglichst vielen Wohnungen Erleichterungen für ältere, behinderte und ganz junge Menschen.

Individuelle Anpassungen

Liegt ein konkreter Bedarf vor, wird das Wohnungsinnere an die Bedürfnisse der Bewohnerin angepasst. Diese können individuell sehr unterschiedlich sein und verschiedene Massnahmen erfordern.

Das Vorgehen bei individuellen Anpassungen wird im Beitrag «Individuelle Anpassungen» dargelegt. Tipps und Tricks können im Ratgeber «Wohnungsanpassungen» nachgelesen werden.

 

Stand 11.01.2023